Jahrelang zu behaupten, die österreichische Regierungsmannschaft bestehe aus lauter Idioten, führt auf einen gefährlichen Weg. Umso gefährlicher, wird der Eindruck von der Realität unterstützt. Das bestärkt tatsächliche Idioten in ihrer Anmaßung, sie könnten Österreich tatsächlich führen. Zivil- und Lebensversager, die für eine Gesellschaft kämpfen, in der sie nicht mithalten können und Werte verteidigen, die sie nicht teilen: Die Identitären stürmen an.
Es ist irritierend. Gescheiterte Existenzen, gemischt mit jenen, die eine große Zukunft längst hinter sich gebracht haben, sehen sich als Phalanx Europas. Jene, die mit griechischem Geschichtswissen höchstens mit ergoogelten Antworten im „Quizduell“ prahlen. Eine selbsternannte Prätorianergarde einer wertebasierten Leistungsgesellschaft, deren Leistungsniveau sie nicht halten können und deren Werte sie nicht teilen. Sie, die all die Anforderungen die das Leben an selbstbestimmte, selbstbewusste, kritisch denkende Mitteleuropäer stellt, so lächerlich unterschreiten, wollen uns ihre vermeintliche Führungsrolle aufoktroyieren. Sie sehen Österreich im nahenden Bürgerkrieg und sich selbst ans Anführer. Sie, die Schreier und Trommler, die in ihren dunklen 15m² Buden hocken und ihren Hass kultivieren. Sie, die glauben, im Chaos eine Leiter des eigenen Aufstiegs zu entdecken.
Wenn Identitäre eine Theaterstückaufführung im Audimax stürmen, ist dies für sich allein genommen eine Lächerlichkeit. Jene, die kein Theater von innen sehen, erstürmen kulturelle Vorführungen. Um sich und ihren Mitstürmenden zu beweisen, dass Kultur nur auf bekritzelten Leintüchern und Plakatständern verteidigt, aber niemals gelebt, besucht oder verstanden werden muss.
Es stimmt einen traurig, in die Gesichter dieser Identitären zu sehen. In deren Augen, die von einem Leben erzählen, das man seinen Feinden nicht wünscht. Ein Leben in Einsamkeit, Zurückweisung, Verletzungen. Ein Leben, in dem man öfter gescheitert ist, als man die Kraft hatte, aufzustehen und es erneut zu versuchen. In Augen, die nur Geborgenheit und Zuspruch in einer Gruppe finden, für deren Selbstverständnis es notwendig ist ihre eigene Identität durch einen Gruppennamen zu bestätigen. Sie erhalten eine Identität, weil sie bei den Identitären sind. Außerhalb der Gruppe verblasst die eigene Identität erneut.
Ja, es sind krude Zeiten. Die Kasperl, sie kommen angestürmt. Mit ernsten Mienen, schroffen Schritt und kunstblutbefleckten, beschmierten Leintüchern.
Zum Lachen ist es noch nicht.
Was soll die Scheisse?
Donnerstag, 14. April 2016
Sonntag, 27. September 2015
Im Kerker von Agonie und Angst
Schockschwerenot. Wenn
Landtagswahlergebnisse sich an aktuellen NRW-Umfragen orientieren,
dann lodern die Flammen im Dachstuhl österreichischer Innenpolitik. Doch sind
die 30% der FPÖ in Oberösterreich tatsächlich problematisch? Ja. Denn die
Erfolge werden für die Blauen selbst zum Problem. Und damit auch für uns.
Dankbarkeit. Ehrlichkeit. Liebe. Starke Emotionen, ohne
Zweifel. In politischen Auseinandersetzungen sind sie zum Vergessen und nicht
zu gebrauchen. Sie werden vom urtümlichsten aller Gefühle dominiert: Angst.
Angst tritt in vielen Schattierungen auf und bildet das Fundament
für alle Wahlentscheidungen. Plakatierte „Wirtschaftskompetenz“ appelliert an
die Urangst der Arbeitslosigkeit. „Investitionen in Bildung und Forschung“
implizieren die Angst, unsere Kinder könnten im globalen Wettbewerb nicht
mithalten und werden – wie in dieser Epoche Asien und Afrika – zum
Wohlstandslieferanten anderer Länder degradiert.
Man suggeriert uns, unter der Klassifizierung „Asyl“ die
entscheidenden Wahlmotive für die oberösterreichischen Landtagswahl gefunden zu
haben. Selbiges gilt für die Wien-Wahl in zwei Wochen. Dies greift zu kurz.
Es ist eine Hysterie, die weite Teile der österreichischen
Bevölkerung erfasst hat. Die Mehrheit kann sie noch unter Kontrolle halten und
einigermaßen klare Gedanken fassen. Einige haben sich bereits vollständig dem
Wahnsinn hingegeben. Die Angst vor hunderttausenden, unbewaffneten
Flüchtlingen, die unkontrolliert und unbehelligt europäische Grenzen
durchschreiten, ergreift von jenen Besitz, die nicht auf der Flucht vor Krieg
und Elend sind. Eine krude Mischung aus Wohlstandsangst und unbegründeter
Furcht um Leib und Leben kerkert eine wachsende Minderheit. Eine Minderheit,
die wie ein reißender Fluss die moralischen Fundamente anderer mitzureißen droht
und zunehmend zur gesellschaftlichen Gefahr heranwächst.
Nun sind diese Sorgen keine Themen, die in den Landtagen
Oberösterreich und Wien real entschieden werden. Doch welche Möglichkeiten der
gesellschaftspolitischen Artikulation bleiben den Hysterischen? Die
Bundespräsidentenwahl 2016, zwischen Pröll, Hundstorfer und van der Bellen? Wohl
kaum. Drei Jahre geduldige Wartezeit bis hin zu den österreichischen
Nationalratswahlen und Wahlen zum EU-Parlament scheinen angesichts der Brisanz
keine Alternative. Jede Möglichkeit wird für den Hilfeschrei genutzt: „Verdammt
nochmal, ich habe Angst! Helft mir doch endlich! Egal wer!“
Dass die blaue Funktionärsriege auf der Tastatur der Parolen
vermeintlich Ausrufezeichen suggeriert, aber eigentlich Fragezeichen liefert,
ist in diesem Zusammenhang minder überraschend. FPÖ-Funktionäre, die nicht in
einer 24/7-NLP-Karrikatur gefangen sind sondern einen Hauch Selbstreflexion
zulassen, bekunden im persönlichen Gespräch ganz ehrlich: „Natürlich haben wir
auch keine funktionierende Lösung. Was will man denn machen?“.
Ironischerweise darf diese Nicht-Lösung der blaue,
burgenländische FPÖ-Sicherheitslandesrat am Hotspot in Nickelsdorf selbst vorexerzieren.
Aber was dann? Was, wenn die Hysterie weiterhin lodert aber sich bei den
Verängstigten und Frustrierten ein Gedanke festsetzt: „Die Blauen lösen das ja
auch nicht!“
Wenn sich Bürgerinnen und Bürger für eine gute, meist
gesellschaftspolitische Sache abseits der politischen, staatlichen Strukturen
zusammenschließen, wird dies oft als „aktive Zivilgesellschaft“ gepriesen. Was,
wenn dieses Recht „aktiver Zivilgesellschaft“ nicht nur jene
#TrainOfHope-Aktivisten ergreifen, die Österreich – abseits staatlicher,
formaler Strukturen – durch ihre große Betreuungsleistung ein freundliches
Gesicht geben? Eine außerparlamentarische Opposition von Hysterikern, die sich
in ihren Sorgen alleine gelassen fühlt und nicht einmal die extremen,
demokratisch legitimierten Flügel der FPÖ als Repräsentanten akzeptiert? Je
länger die Strache-Parolen skandieren, je länger die Kickl-Reime schallen, umso
höher die Zugewinne der Blauen sein werden: Desto größer wird die Gefahr. Eine
Gefahr, in der Menschenmassen, deren Köpfe bis auf die Knochen voller Angst
zerfressen sind, sich von der Demokratie abwenden und „die Dinge selbst in die
Hand nehmen wollen“. Weil sie sich voller Angst nach einer Lösung sehnen, die
ihnen die blaue Propaganda als Fata Morgana vorgegaukelt hat.
Dem sollte unsere Angst gelten.
Donnerstag, 28. Mai 2015
LTW15: "Chaos ist kein Abgrund. Chaos ist eine Leiter."
Unsichere
Zeiten bergen Risiken. Bequemer, als sich diesen zu stellen, ist sich zu
arrangieren. Mit den Umständen. Mit den Risiken. Mit der Zeit.
Die
steirische Landtagswahl kommenden Sonntag ist ein gutes Beispiel, wie schmal
dieser Grat ist; zwischen demokratischem Protest und totaler Unterwerfung. Eine
kurze Ansichtssache, warum sich keine Unterwerfung lohnt und die Steirische
Volkspartei die Stimme verdient.
Petyr Baelish in der Kultserie „Game of Thrones“ hatte Recht:
„Chaos ist kein Abgrund. Chaos ist eine Leiter.“ Chaos ist nicht singulär. Es
steht nicht für sich selbst, sondern hat viele Begleiter.
Orientierungslosigkeit. Unsicherheit. Aber vor allem Angst.
In vielen Lebensbereichen werden wir mit dieser Angst
konfrontiert. Eurokrise. Staatsschuldenkrise. Arbeitslosigkeit. Überalterung. Islam.
Islamismus.
Michel Houellebecq lag mit seinem Bestseller „Die
Unterwerfung“ falsch. Nicht der Islam schickt sich an, Mitteleuropa zu
unterwerfen. Rechte und linke Recken – in der Steiermark allen voran die FPÖ –
urgieren unsere Unterwerfung. Der Folterknecht heißt „Angst“, die Peitsche
gespickt mit allerlei Plattitüden.
Denn was bleibt, wenn skandiert wird, man wolle „keine
Asylheime“ – und mit leiserer Stimme anhängt „in der Nähe von Schulen“? Was
bleibt, wenn eine dreiköpfige Playbackband als Wahlkampfeinpeitscher mit heimeliger
Stimme ansingt: „Wir saufen bis es hell ist.“
Was bleibt, wenn skandiert wird, der „Islam gehöre nicht zu
Österreich“. Sind die rund 600.000 österreichischen Muslime Feinde, vor denen
man sich fürchten muss? Bevölkern mindestens 1,6 Milliarden Feinde gemeinsam
mit uns diesen Planeten, die es zu bekämpfen gilt?
Chaos ist eben nur ein Abgrund für all jene, die sich tief
hinein in den Strudel ziehen lassen. Für alle anderen kann es jene Leiter sein,
die ganz nach oben führt. Wir sollten sehr genau darauf achten, welche Tölpel
sich anschicken, diese Leiter zu erklimmen. Die Geschichte zeigt: Haben die
Tölpel die oberste Stufen erklommen, könnte es zu spät sein.
Kurzum: Die Steirische Volkspartei – allen voran Lukas
Schnitzer – verdienen unsere Stimme. Nicht nur, weil sie die Leiter für blaue
Tölpel blockieren. Sondern weil sie uns klar zeigen, dass wir uns niemals der
Angst unterwerfen dürfen.
Samstag, 24. Januar 2015
5 Minuten Rezension: "Die Unterwerfung" von Michel Houellebecq
Was sich anschickte, ein großer Roman über den fortschreitenden Niedergang unser säkularisierten Gesellschaft zu werden, entpuppt sich als - großteils zusammenhangloser - Softporno: Alternde, fünfzigjährige Eliten ohne moralischem und religiösem Kompass, die nach fünfzehnjährigen Mädchen in 'tief sitzenden Jeans' gieren. Das ist schade. Unsere Zeit hätte einen großen Roman bitter nötig gehabt.
Ja, die "Unterwerfung" hat eine politische - meinetwegen auch gesellschaftspolitische - Aussage: "Der Islam bedroht unsere säkularisierte Gesellschaft und wenn wir nicht aufpassen übernehmen die Muslime die Macht und führen die Scharia ein."
Diese Aussage kann man teilen oder nicht. Persönlich tendiere ich auch eher dazu, zumindest den Kern dieser Ängste ernst nehmen zu wollen. Diese Warnungen sind aber kein Solo-Konzert, das jetzt per se besondere Aufmerksamkeit verdienen würde. Diesen Song spielt es im Orchester seit mindestens 10 Jahren landauf, landab.
Ich frage mich: Gelingt es dem Autor, hier literarische Feinheiten herauszuarbeiten? Seziert der Autor hier am offenen Herzen einer irrenden Gesellschaft, die nach Halt und Führung giert? Oder delektiert er sich nur an der Hysterie, die seit mindestens 2001 in der Luft liegt?
Die zweite Hälfte des Buches lässt sich imho in folgender Aussage zusammenfassen: "Den männlichen Intellektuellen ist die eigene Unterwerfung unter einen Gott - wer immer das auch sein mag, man konvertiert ja gerne - durchwegs angenehm. Noch angenehmer ist für diese Intellektuellen die Unterwerfung der Frau. Da sie alt und keinen athletischen Körperbau besitzen spielt ihnen die weibliche Unterwerfung in die Hände. Islamische Heiratsvermittlerinnen versorgen die fünfzigjährige Elite mit fünfzehnjährigen Mädchen in 'tief sitzenden Jeans' und verschachern sie - mit einem Querverweis auf den Erfolg von "50 Shades of Grey", der den offensichtlichen Wunsch der SM-Unterwerfung validieren soll - in die Leibeigenschaft."
Ist man im Kopfkino auf der Suche nach derartigen Softpornos - mit Hauptdarstellern im fragwürdigen Alter - dürfte man bei den einschlägigen Veröffentlichen einer politischen Bewegung in den 1980er Jahren besser aufgehoben sein. Für eine ernst zu nehmende Literatur und eine ernst zu nehmende literarische Auseinandersetzung mit dem Thema ist mir das aber zu wenig. Jeder Leserin und jedem Leser, der sich und seine qualitativen Ansprüche selbst ernst nimmt, sollte schade um die 4 Stunden sein, die das Lesen dieses Buches verschlingt.
Mir ist jedenfalls schade um diese Zeit.
Ja, die "Unterwerfung" hat eine politische - meinetwegen auch gesellschaftspolitische - Aussage: "Der Islam bedroht unsere säkularisierte Gesellschaft und wenn wir nicht aufpassen übernehmen die Muslime die Macht und führen die Scharia ein."
Diese Aussage kann man teilen oder nicht. Persönlich tendiere ich auch eher dazu, zumindest den Kern dieser Ängste ernst nehmen zu wollen. Diese Warnungen sind aber kein Solo-Konzert, das jetzt per se besondere Aufmerksamkeit verdienen würde. Diesen Song spielt es im Orchester seit mindestens 10 Jahren landauf, landab.
Ich frage mich: Gelingt es dem Autor, hier literarische Feinheiten herauszuarbeiten? Seziert der Autor hier am offenen Herzen einer irrenden Gesellschaft, die nach Halt und Führung giert? Oder delektiert er sich nur an der Hysterie, die seit mindestens 2001 in der Luft liegt?
Die zweite Hälfte des Buches lässt sich imho in folgender Aussage zusammenfassen: "Den männlichen Intellektuellen ist die eigene Unterwerfung unter einen Gott - wer immer das auch sein mag, man konvertiert ja gerne - durchwegs angenehm. Noch angenehmer ist für diese Intellektuellen die Unterwerfung der Frau. Da sie alt und keinen athletischen Körperbau besitzen spielt ihnen die weibliche Unterwerfung in die Hände. Islamische Heiratsvermittlerinnen versorgen die fünfzigjährige Elite mit fünfzehnjährigen Mädchen in 'tief sitzenden Jeans' und verschachern sie - mit einem Querverweis auf den Erfolg von "50 Shades of Grey", der den offensichtlichen Wunsch der SM-Unterwerfung validieren soll - in die Leibeigenschaft."
Ist man im Kopfkino auf der Suche nach derartigen Softpornos - mit Hauptdarstellern im fragwürdigen Alter - dürfte man bei den einschlägigen Veröffentlichen einer politischen Bewegung in den 1980er Jahren besser aufgehoben sein. Für eine ernst zu nehmende Literatur und eine ernst zu nehmende literarische Auseinandersetzung mit dem Thema ist mir das aber zu wenig. Jeder Leserin und jedem Leser, der sich und seine qualitativen Ansprüche selbst ernst nimmt, sollte schade um die 4 Stunden sein, die das Lesen dieses Buches verschlingt.
Mir ist jedenfalls schade um diese Zeit.
Donnerstag, 28. August 2014
If you don't like how the table is set, turn over the table
Die letzten Friedensdividenden scheinen ausgezahlt. Putin erhebt Russland aus der Asche, zurück zu
Weltmachtstatus. Respekt durch Angst, anstatt Ehrfurcht.
Im globalisierten Wirtschaftssystem nahm Russland in und nach
der Jelzin-Ära die Rolle des Verlierers ein - degradiert zum billigen
Energielieferanten des Westens. Hätte man zur Jahrtausendwende auf Augenhöhe
mit Russland gearbeitet und gleichberechtigten Interessenausgleich betrieben:
Wer weiß, ob die Eskalation dann aus Sicht Putins nötig wäre. Stattdessen
rückte die NATO weiter an Russland heran und an den direkten Außengrenzen gilt
der Euro als offizielle Währung.
Ja, es handelt sich um
eigenständige, (teil)-demokratische Länder. Osteuropa liegt aber im direkten
Einflussgebiet der zweiten Weltmacht. Wiewohl alle Handlungen des Westens
seit dem Untergang der Sowjetunion keine Erlaubnis oder Abstimmung mit Russland
erforderten, sollte es nicht verwundern, dass Russland die Sitzordnung nicht
mehr gefällt. Still am Kindertisch der Demütigungen zu sitzen, ohne Aussicht im
globalisierten Wirtschaftssalon nach westlichen Regeln jene Rolle zu spielen,
die Russland aufgrund der Größe und Geschichte zusteht - oder aber den Tisch
umzuschmeißen.
Putin hat sich für die zweite
Variante entschieden. Die Frage ist, welche Lehren wir daraus ziehen und wie
wir damit umgehen können.
Freitag, 15. August 2014
"Investitionsschutz" untergräbt die freie Marktwirschaft
Auf den ersten Blick stand ich all diesen
Freihandelsabkommen auch positiv gegenüber. Die Tatsache, dass ich für ein
Tech-Gadget aus den USA (Wert: 1.500$, Materialwert: 80$) insgesamt etwas über
1.000€ Importkosten zahlen durfte, ist in einer globalisierten Welt schwer
verständlich. Doch der "Investitionsschutz" untergräbt die freie Marktwirtschaft und sollte entschieden bekämpft werden.
Die Problematik bei den ominösen Schiedsgerichten, die bei den Freihandelsabkommen mitschwingen, war mir auf dem 1. Blick nicht ersichtlich. Natürlich ist es augenscheinlich eine gute Sache, wenn Unternehmen mitsamt ihren Arbeitsplätzen nicht der Willkür neuer Regierungen ausgesetzt sind. Enteignungen, nur aufgrund von subjektiv ungünstig ausgegangenen Neuwahlen befürchten zu müssen, ist verständlicherweise kein Investitionsmagnet.
Dennoch unterlaufen derartige Schiedsgerichte aus meiner Sicht die Regeln der Marktwirtschaft, mit denen wir die letzten Jahrzehnte gut gefahren sind. Der Zugang zu diesen Schiedsgerichten ist Einzelpersonen, Bürgern und kleinen Firmen vorenthalten. Lediglich große Unternehmen haben hier eine Instanz, die einer weitgehenden Sicherung von investiertem Vermögen dient, das in den Konzepten der freien Marktwirtschaft so nicht vorgesehen ist. Geld in Gewinnabsicht zu investieren - sei es im Inland, sei es im Ausland - birgt immer ein gewisses Risiko. Gegenleistung sind entweder Zinsen auf das eingesetzte Kapital oder Gewinne. Mit welcher sachlichen Begründung wird das Ausfallrisiko nun einem fremden Staat - sprich, den Steuerzahlern dieses Staates - umgehängt, während Verzinsung und Gewinn weiterhin in der Hand des Investors bleiben? Man könnte hier lediglich argumentieren, dass der Staat durch zusätzliche Steuereinnahmen, die durch das Investment anfallen, ebenfalls Einnahmen lukriert. Das erscheint mir aber als Kausalzusammenhang nicht ganz redlich.
Abgesehen davon gibt es eine Reihe von politisch validen Entscheidungen (Ausstieg aus der Atomenergie, Rauchverbot an öffentlichen Plätzen, Warnhinweise an Zigarettenpackungen/Alkoholika, ...), die zu einer subjektiv ungerechtfertigten Klagemöglichkeit gegenüber demokratischen Mehrheitsentscheidungen führen können.
Man kann die Welt, wie sie durch diese Freihandelsabkommen gesehen werden, gerne als Monopolyspielbrett darstellen. Nur sollten aber für alle Spielfiguren die gleichen Regeln gelten.
Die Problematik bei den ominösen Schiedsgerichten, die bei den Freihandelsabkommen mitschwingen, war mir auf dem 1. Blick nicht ersichtlich. Natürlich ist es augenscheinlich eine gute Sache, wenn Unternehmen mitsamt ihren Arbeitsplätzen nicht der Willkür neuer Regierungen ausgesetzt sind. Enteignungen, nur aufgrund von subjektiv ungünstig ausgegangenen Neuwahlen befürchten zu müssen, ist verständlicherweise kein Investitionsmagnet.
Dennoch unterlaufen derartige Schiedsgerichte aus meiner Sicht die Regeln der Marktwirtschaft, mit denen wir die letzten Jahrzehnte gut gefahren sind. Der Zugang zu diesen Schiedsgerichten ist Einzelpersonen, Bürgern und kleinen Firmen vorenthalten. Lediglich große Unternehmen haben hier eine Instanz, die einer weitgehenden Sicherung von investiertem Vermögen dient, das in den Konzepten der freien Marktwirtschaft so nicht vorgesehen ist. Geld in Gewinnabsicht zu investieren - sei es im Inland, sei es im Ausland - birgt immer ein gewisses Risiko. Gegenleistung sind entweder Zinsen auf das eingesetzte Kapital oder Gewinne. Mit welcher sachlichen Begründung wird das Ausfallrisiko nun einem fremden Staat - sprich, den Steuerzahlern dieses Staates - umgehängt, während Verzinsung und Gewinn weiterhin in der Hand des Investors bleiben? Man könnte hier lediglich argumentieren, dass der Staat durch zusätzliche Steuereinnahmen, die durch das Investment anfallen, ebenfalls Einnahmen lukriert. Das erscheint mir aber als Kausalzusammenhang nicht ganz redlich.
Abgesehen davon gibt es eine Reihe von politisch validen Entscheidungen (Ausstieg aus der Atomenergie, Rauchverbot an öffentlichen Plätzen, Warnhinweise an Zigarettenpackungen/Alkoholika, ...), die zu einer subjektiv ungerechtfertigten Klagemöglichkeit gegenüber demokratischen Mehrheitsentscheidungen führen können.
Man kann die Welt, wie sie durch diese Freihandelsabkommen gesehen werden, gerne als Monopolyspielbrett darstellen. Nur sollten aber für alle Spielfiguren die gleichen Regeln gelten.
Freitag, 27. Juni 2014
Die nackte Angst
Eine Replik auf die
Hymnen-Debatte rund um Andreas Gabalier, Gabriele Heinisch-Hosek sowie dem
offenen Brief der Grünen Frauen Wien. Was davon zu halten ist und warum tatsächlich
Noam Chomsky als Regisseur in der Debatte die Fäden in der Hand hält.
Die insgesamt rund hunderttausend Wortmeldungen sprechen für
sich. Sie sprechen von einer Gesellschaft voller Wut, durch Lethargie als Kitt
mühevoll zusammengehalten. Die Reaktionen sollten keinen politischen Beobachter
überraschen.
Nein, die Heftigkeit der Debatte bricht sich nicht an den „Töchtern“.
Es ist auch kein Wirbelsturm der Empörung, in dessen Auge die Hymne thront. Im
Gegenteil: Es sind die Österreicherinnen und Österreicher, die sich im Auge des
Wirbelsturms befinden und hier eine Gelegenheit vorfinden, eine innere Wut
raus zu schreien, während sich alles um sie herum dreht und davongefegt wird.
Ob die Hypo-Alpe-Adria nun 10 oder 20 Milliarden kostet, Steuergelder
versickern, eine Vermögenssteuer die Erlösung bringt oder man die Neutralität
verramschen und die Luftraumhoheit über Österreich aus Kostengründen aufgeben
sollte: Wer weiß das schon? Wer kann bei all diesen Themen, die einen aufregen
sollten, schon mitdiskutieren und etwas mit Gewissheit sagen? Es bräuchte
fachliche Kompetenz. Wirtschaftspolitisch. Militärisch. Kompetenzen, die man als
überforderter Bürger nicht aufbringen kann. Was bleibt, ist Lethargie.
Eine Lethargie, in der uns von allen Seiten eingeredet wird,
dass die Welt die wir vorfinden härter, rauer und herausfordernder ist als alle
Welten davor. Euro-Krise, Bildungskrise, Bankenkrise, Steuerkrise,
Burgtheaterkrise, Arbeitsplatzkrise, Ukraine-Krise, Korruptionskrise, Pensionskrise,
Budgetlochkrise. Und gelten doch als eines der reichsten Länder Europas, als
eines der reichsten Länder der Erde. Mit Diskriminierung von allen und jedem an
allen Ecken und Enden.
Was ist da befreiender, als endlich ein Thema serviert zu
bekommen, das so simpel und einfach wirkt, wie beliebiger Gossip in einer
Telenovela? Ein Thema, das keine Kompetenz verlangt. Bei dem ausschließlich
Meinung zählt. Persönlich. Egal, wie abwegig und abstrus sie ausgestaltet ist.
Was wir erleben ist eine Pervertierung direkter Demokratie
in Reinform. Endlich kann man es den Volksvertretern reinschreien, die doch nur
Schwachsinn beschließen würden. Unter dem Visier von allerlei Pseudonymen oder
mit gestärkter Brust unter dem Namensbanner: Man sieht sich als
rechtschaffener, edler Ritter im großen Lanzenturnier. Für nichts weniger, als
für die Verteidigung einer Hymne die eine Welt symbolisieren soll, die wohl nur
in den verklärten Gedanken jemals existieren durfte, reitet man aus. Eine
unkomplizierte Welt, in der Gut und Böse noch leicht voneinander zu trennen schien. Die
Vision einer Welt, in der man noch einigermaßen zu verstehen glaubte, was rund
um einen herum tatsächlich passiert. In der man sich nicht vom technischen
Fortschritt überwacht fühlte, sich nicht als Heterosexueller als ominöser „CIS-Mann“
für seine Orientierung vor dem Feminismus rechtfertigen musste und man Aufstieg
statt Abstieg erwartete.
Dem politischen Betrieb kommt die Hymnen-Debatte sichtlich
nicht ungelegen. Abgesehen von der direkt betroffenen Minderheit unter den
Politikern, denen eine Wortklauberei tatsächlich ein innerstes Anliegen ist,
als ginge es darum, den heiligen Gral bei einem Kreuzzug zu erbeuten.
Noam Chomsky hatte Recht: „You need something to frighten
people with, to prevent them from paying attention to what’s really happening to them.“
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